Von der Seligkeit des Überessens…

Tiger, vollgefressen

Im letzten Artikel habe ich euch von der Befreiung durch das Joch der Waage erzählt.

Zeit für ein Fazit.

Ich habe nicht zugenommen und das finde ich mega.

Naja, werden einige denken, das ist ja nichts besonders. Doch, sage ich, für mich ist es das.

Ich habe alles gegessen, dass ich essen wollte und dann wann ich es wollte und so lange, wie ich es wollte. Dazu habe ich etliche der Postcastfolgen von Mareike Awe zum intuitiven Essen gehört und meine eigene Diätmentalität hinterfragt. Abgenommen habe ich nix…lach.

Trotzdem finde ich mein Experiment erfolgreich, wenn ich an meine bisherige Historie denke.

Erste Diät mit 13, mehrfach über 25 Kilo abgenommen und immer alles und noch mehr wieder zugenommen.  Hier könnt ihr meine Diätkarriere nochmal nachlesen. Zwischendurch habe ich immer frustriert alles wieder sein gelassen und ab und an auch aufgehört mich zu wiegen.

Und ich muss dann über mich selber den Kopf schütteln und meine Intelligenz in Frage stellen!

Warum wählt man für eine recht aussichtslose Sache immer wieder den gleichen Weg?

Und das seit 33 Jahren, nur mit leicht geänderter Besetzung?

Ich halte mich selbst für ein recht schlaues Wesen. Und ich dachte, ich merke sonst recht schnell, wenn ich auf einem Weg nicht weiterkomme und versuche dann, einen anderen Weg einzuschlagen. Nur wenn es um mein Gewicht geht, scheine ich total verbohrt zu sein.

Gerade stelle ich mir vor, ich möchte ein Hindernis überwinden. Ich möchte über einen großen Kasten hüpfen und als Hilfsmittel habe ich ein kleines Sprungbrett.

Also nehme ich Anlauf, ab auf das Sprungbrett, Beine hoch…und selig fliegend lande ich oben auf dem Kasten, mit dem Bauch und zappel wie ein großer Käfer.

Hm, das ist aber blöd, ich möchte ja über den Kasten hüpfen. Also denke ich nach und komme auf die Idee, dass es bestimmt an meinem blauen Sportdress liegt. Also wenn es mit dem blauen nicht klappt, dann nehm ich halt das rote Oberteil. Mit dem roten Oberteil klappt es bestimmt. Und wenn es damit nicht klappt, dann ziehe ich halt das grüne Oberteil an und probiere es damit.

So kaufe ich im Laufe der Jahre 15 verschiedene Oberteile und bin schon ganz verzweifelt, da ich immer noch nicht über den Kasten hüpfen kann und doch schon so viel Geld für Oberteile ausgegeben habe. Irgendwann muss noch die Farbe meiner Sportbekleidung Einfluß darauf haben, so dass ich mit Leichtigkeit über den Kasten komme.

Also sind es vielleicht doch meine Schuhe, die Einfluß haben. Also kaufe ich mir Einlagen mit Sprungfedern. Die tun zwar etwas weh, weil sie nicht so bequem sind, aber ich komme nun zumindest schon mit den Knien auf den Kasten. Ein Erfolgserlebnis.

Nach dem das mehrfach geklappt hat, denke ich noch weiter und kaufe mir Einlagen mit Spikes innen. Darauf kann man kaum laufen, weil es so weh tut, aber der Erfolg ist mega. Ich laufe und es ist super unangenehm und weil es auf dem Sprungbrett so richtig weh tut, springe ich vor lauter Schmerz super hoch und direkt über den Kasten. Wow, das ist so toll. Ich lande auf der anderen Seite und ich bin stolz und glücklich. ICH, wirklich ICH, bin über den Kasten gekommen. Meine Füße bluten und schmerzen, aber ICH bin über den Kasten gekommen.

Das mache ich noch ein paar Mal, aber irgendwann überwiegen die schmerzenden Füße den Stolz des Kastenüberhüpfens und vielleicht klappt es jetzt ja auch mit den Sprungfedern. Leider nicht, ich hocke wieder oben drauf und denken, hm, welche Farbe hatte denn mein Oberteil letztes Mal?

Ich könnte ja doch mal wieder probieren ob nicht ein pinkes Oberteil den gleichen Effekt hätte.

Und prompt stehe ich wieder vor dem unüberwindbaren Kasten, habe weitere 15 Oberteile gekauft, die alle nichts gebracht haben und schiele nach ein paar Monaten auf die Schuhe mit Spikes, die meine Füße ruinieren.

DAS WÜRDE DOCH KEIN NORMALER MENSCH TUN, oder?

Jeder würde sagen, mache doch einfach den Kasten niedriger und übe erst einmal mit weniger Höhe und steigere dich nach und nach. Oder hol dir ein stärkeres Sprungbrett!

Aber genau das tue ich mit Diät nicht.

Ich bin zu dick, also mache ich FDH. Wow, das hilft, aber ich habe immer Hunger. Also esse ich irgendwann wieder normal und alle Kilos kommen wieder.

Dann bin ich wieder zu dick und mache Kalorienzählen, aber ich habe immer Hunger. Also esse ich irgendwann wieder normal und alle Kilos kommen wieder.

Dann bin ich wieder zu dick und mache Weight Watchers. Da habe ich keinen Hunger, aber ich träume von Pizza und Kuchen und Chips und ständig läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ich nehme mega viel und toll ab und bin ganz stolz, aber mein Hunger ist völlig außer Kontrolle und dazu bin ich schlecht gelaunt und irgendwann höre ich auf Punkte zu zählen und mich zu wiegen und ich nehme alles und mehr wieder zu.

Dann bin ich wieder zu dick!

Und wenn ich wieder dick bin, dann mache ich wieder Diät. Aber diesmal Low Carb, denn das ist ja was anderes!

Und das ist gesellschaftlich anerkannt und jeder findet es normal. Niemand sagt, eh die ist doch bekloppt. Alle paar Jahre stolz auf blutige Füße wegen Schuhen mit Spikes und dann doch wieder darauf schielen, ob es mit farbigen Oberteilen nicht einfacher geht.

Nach 33 Jahren ist es ja wohl Zeit einzusehen, dass ich mit einer Diät nicht dauerhaft schlank werden kann.

Denn sonst hätten die ganzen Diäten, die ich in meinem Leben gehalten habe, ja alle dauerhaft funktioniert. Ich müsste schlank sein wie ein Streichholz und jeden Tag Angst haben durch den Gullideckel zu fallen.

Hab ich aber nicht, ich bin immer noch dick!

Ich könnte mich nun damit abfinden und einfach so bleiben wie ich bin. Und ich mag mich so auch, jedoch tun mir die Knie weh und mich ärgert ein Fersensporn. Und ich werde steif, alt und nixnötzig, deswegen möchte ich gerne beweglicher sein und mehr Energie haben.

Manche z.B. sagte, dass Sie sich überessen mies gefühlt haben und schlecht gelaunt sind und sich selber dafür verurteilten. Voller schlechtem Gewissen schelten sie sich und schlagen auf sich ein.

Das kann ich so nicht bestätigen.

Wenn ich ein nahrhaftes Abendessen hatte und eigentlich satt bin und dann noch ein Pfund Schokolade hinterherstopfe und dazu noch eine Apfelschorle hinterherkippe und dann wie eine Stopfgans auf der Couch liege, den Kater an mich gekuschelt, den Mann neben mir, dann fühle ich mich gut.

Satt, zufrieden, überfressen, selig in der Wohligkeit des Kokons, erfüllt von innen und von außen.

Ein kleinen Moment abgeschottet gegen den Stress, gegen alle Ansprüche, die von außen an mich gestellt werden, gegen den Druck, Stresshormone durch Zucker und Fett abbauend, mit vor Wonne glühendem Belohnungszentrum. Schläfrig müde, aber glücklich.

Ich schwelge in meiner eigenen Seligkeit des Überessens!

Und solange ich Essen als Entspannungsmittel, Entärgerungsmittel, zur Flucht aus dem Alltag und als die pure Belohnung betrachte, wird keine Diät der Welt mich schlank machen.

Also bleibt der Weisheit letzter Schluß:

Iss wenn du Hunger hast, höre auf, wenn du angenehm satt bist und noch nicht völlig überfressen.

Meine Mutter kann das perfekt und ich kenne noch viele weitere Leute, die das prima können. Die meisten davon haben noch nie eine Diät gemacht!

Und konnte das auch mal, als Kind. Und ich war in der Pupertät mit 13 auch nicht dick, da ging es noch um 1-2 Kilo und nicht um 25-30 Kilo.

Also lautet für mich die große Frage, was kann ich tun, um dahin zurück zu kommen, zu meinem natürlichen Essverhalten. Ich halte euch auf dem Laufenden.